Ausserhalb Iran’s findet man mehr oder weniger aktive politische Parteien, die das Regime im Iran im Land selbst verboten hat und als Bedrohung seiner Alleinherrschaft betrachtet. Eine dieser Parteien, die sich nach langen Jahren neu aufgestellt hat, ist die CPI, eine international vernetzte Partei von sogenannten Konstitutionalisten.
Dr. Nader Zahedi: Mit der Islamischen Revolution im Jahre 1979 hat sich im Iran kulturell wie politisch vieles geändert; allerdings nicht zum Positiven, wie sich die Revolutionäre geträumt haben. Die Revolutionäre verfolgten einige Ideen, ohne sich darüber wirklich im Klaren zu sein, was wir damals im Iran hatten. Dazu gehört z. B. Unabhängigkeit und Freiheit. Der Iran war 1979 unabhängig. Das politische System im Iran war trotz Bedrohungen seitens der Sowjetunion und des Iraks in der Lage, die iranischen Grenzen zu schützen und Konflikte friedlich zu lösen. Freiheit hatten wir im großen Maße. Einzig war die politische Freiheit eingeschränkt. Mit der Islamischen Revolution, wie es sich kaum ein Jahr später gezeigt hatte, war in Folge des irakischen Angriffes nicht nur die Unabhängigkeit Irans gefährdet, sondern auch der gesamte Frieden in der Region. Außerdem haben die Menschen jegliche Freiheit, die sie in der Vergangenheit genießen konnten, verloren. Unter sehr vielen Iranern, die sich damals noch im Revolutionsrausch befanden, gab es eine Reihe von Intellektuellen, die um die Zukunft Irans besorgt waren. Sehr viele waren noch der Meinung, dass wir unter dem Schah-Regime durchaus die Möglichkeit hatten, auch politische Freiheit zu erlangen. Sie hielten das Schah-Regime für reformierbar. Aber bald hat sich gezeigt, dass ein einziges Wort über Mohammad-Reza Pahlavi und über Konstitutionalismus als denkbares Modell reichte, um im Gefängnis zu laden und aufgehängt zu werden. Versprechungen, eine Demokratie im Iran zu errichten, haben sich also bald als leer erwiesen. Das Fehlen eines politischen Diskurses war das hauptsächliche Problem der intellektuellen und der besorgten Menschen im Iran. Dies führte dazu, dass eine Reihe von politisch motivierten Menschen verhaftet und ermordet wurde. Viele andere sind ins Ausland geflüchtet. In den 1980er Jahren haben sich Exiliraner hier und dort unsystematisch getroffen und sich ausgetauscht, bis Ende der 80er Jahre Prinz Reza Pahlavi seiner Anhängerschaft empfahl, sich systematisch zu organisieren. Daraufhin versammelte sich eine große Zahl von Anhängern, um sich mit ihm solidarisch zu zeigen. Wir waren schon damals eine Gruppe von Aktivisten, die sich für konstitutionelle Monarchie und ihre Werte eingesetzt hat. Der denkende Theoretiker unter uns war der Journalist und Schriftsteller Dr. Dariush Homayoun (1928-2011). Mit seiner Hilfe entstanden ein politisches Programm und eine Satzung, die als Wegweiser für die Gründung unserer Organisation dienten. Im April 1994 fand in Köln die Gründungkonferenz statt. Hier wurde die Gründung der Organisation der Iranischen Konstitutionalisten (OIK) beschlossen. Dies war der erste systematische Schritt in unsere politische Zukunft. Der nächste Schritt erfolgte 1998 infolge der Entfaltung der Organisation. In Berlin haben wir auf einer Hauptversammlung beschlossen, die Bezeichnung Organisation in Partei umzuwandeln. Mit der Konstitutionalisten Partei Iran (CPI) haben wir eine Partei für heute und die Zukunft Irans geschaffen, die bis heute aktiv ist.
Sowohl als Organisation als auch als Partei stand eines stets im Vordergrund: Demokratie basierend auf der Charta der Menschenrechte der Vereinten Nation und Freiheit für den Iran. Diese sind die hauptsächlichen Werte, die den Rahmen unserer politischen Aktivität bilden. Im Laufe unserer Aktivitäten in der CPI haben wir immer wieder auf Konferenzen und Kongressen die Möglichkeit genutzt, das politische Programm der Partei zu erweitern. So wurden beispielsweise Rechte für Frauen und Kinder, Souveränität und Unabhängigkeit Irans sowie Rechte für religiöse und ethnische Minderheiten beschlossen. Die religiöse, ethnische und sprachliche Vielfalt Irans hat uns nie daran gehindert, das Land vereint zu sehen und uns gegen jegliche territoriale Separation zu wehren. Diese sind auch heute unsere Ziele. Natürlich haben wir je nach Entwicklungen auf der internationalen Ebene auch Konzepte für den Iran überlegt. Ein klares Beispiel dafür ist die aktuelle Debatte über Atomenergie und den Bau von Kernkraftwerken im Iran. Wir hätten schon in den 1970er Jahren Kernkraftwerke haben können, und zwar nicht irgendeine – die Firma Siemens war am Bau von Kernkraftwerken im Iran mit einem hohen Standard beauftragt. Nach der Revolution haben sich die Mullahs mit Tschernobyl-Standard zufrieden gegeben. Davor haben wir damals ernsthaft gewarnt. Auch der Standard von heute entspricht nicht den Sicherheitskonzepten.
Auf welche Erfolge und Misserfolge blickt ihre Partei zurück?
Unser größter Erfolg war, dass wir in Anbetracht der schwierigen Lage und Kommunikations- und Technikprobleme am Anfang es geschafft haben, oppositionelle Köpfe im Ausland zu vereinigen. Im Laufe der Zeit ist es uns auch gelungen, eine Reihe von Intellektuellen, die am Anfang gegen uns waren, von unserem politischen Programm zu überzeugen und sie auf unserer Seite zu haben. Auch Kontaktaufnahmen und zahlreiche Gespräche mit Politikern in Europa und in Amerika gehört zu unserer erfolgreichen Bilanz.
Natürlich hat jeder, der arbeitet und etwas Neues schafft, auch Misserfolge und Enttäuschungen. Im Gegensatz zu den USA und einigen europäischen Staaten ist es uns bis heute nicht gelungen, mit den Politikern aus dem Regierungsapparat der Bundesrepublik in Kontakt zu treten und konstruktive Gespräche zu führen. Außerdem konnten wir bis heute nicht die Bundesrepublik davon überzeugen, das Mullah-Regime wirtschaftlich nicht zu unterstützen.
Was denken Sie über das Regime im Iran?
Das Regime im Iran kam mit Versprechungen an die Macht, die es nicht halten konnte. Es hat schon 1979 seinen manipulativen Charakter gezeigt. Es hat einen freien Iran für jeden versprochen, wovon wir bis heute nichts sehen. Diese Art von Manipulation und die Verbreitung von Lügen sind die Verfahrensweise der Islamischen Republik in jeder Hinsicht. Aggressive Haltung in Fragen der Innen- und Außenpolitik, Intoleranz, Machtsüchtigkeit und Korruption, Unterstützung des internationalen Terrorismus – sowohl finanziell als auch ideologisch –, Verbreitung von Unruhen in der Region sind nur ein paar Beispiele, die den Charakter der Islamischen Republik ausmachen. Niemand darf Ahmadinedjads Holocaustverleumdungen seit Oktober 2005 und seine antiisraelische Politik vergessen. Es ist lächerlich mitansehen zu müssen, wie Ahmadinedjads – selbst ein Diktator – Botschaften in Richtung Gaddafis sendet. Es gibt im Iran – sogar im politischen Apparat – Menschen, die um die Zukunft Irans besorgt sind; es sind Kräfte, die wir für den Aufbau Irans in der Zukunft brauchen werden. Anstatt diese Kräfte zu unterstützen, schließt man sie aus der Tagespolitik aus. Die Regierung spielt mit Menschen und mit ihren religiösen Überzeugungen. Die CPI ist eine säkulare Partei und trennt Religion und Staat. Im heutigen Iran sind wir Zeuge, wie gläubige Menschen in ihrem Glauben manipuliert werden. Die Mehrheit der Iraner sind Schiiten und glauben an den 12. Imam. Ahmadinedjad aber nutzt die Gläubigkeit von Menschen, schafft in seinem Kabinett einen leeren Stuhl für den 12. Imam und behauptet, er sei in seinem Kabinett. Einfach lächerlich!
Wer hat im Iran Ihrer Meinung nach das Sagen?
Es sind auf keinen Fall die Menschen, die das Sagen haben. Im Moment, das heißt solange Khamenei noch am Leben ist, sieht es so aus, dass die gesamte politische Macht in den Händen vom religiösen Führer liegt. Die Pasdaran und Basidjs sind seine ausführende und unterstützende Kraft. Nach dem Tod Khameneis werden die Pasdaran und Basidjs zwar ihre Rolle und Funktion beibehalten; es gibt jedoch den Plan, dass die Organisation KAMFRAS (کانون ایرانی مبارزه با فراماسیونری، امپریالیسم و صهیونیسم), auf Deutsch: Iranisches Zentrum für den Kampf gegen Freimaurerei, Imperialismus und Zionismus die Macht an sich reißt und von oben agiert. (Einfügung durch mehriran.de: mehr Informationen dazu in persischer Sprache finden Sie unter www.camfras.com)
Warum ist es der Oppositionsbewegung im Iran noch nicht gelungen das Regime zum Aufgeben zu bringen?
Das Problem hat zwei Seiten. Erstens: Das Regime im Iran ist nicht schwach. Es hat Geld, das durch Wirtschaftsbeziehungen u.a. auch mit Deutschland in den Händen von Mullahs fließt. Durch dieses Geld besorgt das Regime die Technik, die es für die Bekämpfung der Menschen braucht. Ein einfaches Beispiel haben wir im Sommer 2009 erlebt. Nach Fälschungen bei den Präsidentenwahlen kamen Menschen auf die Straße, um für ihr demokratisches Recht zu kämpfen. Zur gleichen Zeit haben Siemens und Nokia die modernste Überwachungstechnik in den Iran verkauft, mit der das Regime die Satelliten zur Sendungen der Oppositionen-Fernsehen und Mobiltelefonen kontrollieren konnte. Mit leeren Händen kann man nicht gegen ein solches Regime kämpfen. In unseren Korrespondenzen mit EU-Politikern, in zahlreichen Interviews und Gesprächen haben wir immer wieder betont, dass Sanktionen, die gezielt gegen das Regime und seine Mitglieder gerichtet sind, dieses Regime schwächen würden; es ist einfacher ein schwaches Regime zu Fall zu bringen.
Zweitens: Die Menschen und ihre kulturell bedingte Ängste. Die oppositionellen Bewegungen im Iran sind in ihren Ausführungen beschränkt. Die Menschen haben einmal eine Revolution gemacht und gesehen, was dann passierte. Das Korrigieren dieses Fehlers kostet Kraft, Ausdauer und Organisation. Demonstrationen vollziehen sich auf den Straßen und dürfen nicht unterbrochen werden. Die Menschen aber bleiben nachts nicht auf den Straßen. Vor allem die Jugendlichen, die die stärkste Macht der Opposition bilden, müssen sich gegenüber der Familie rechtfertigen, wo sie bei Nacht waren. Hierbei sind vor allem Frauen mehr betroffen als Männer. Auf der anderen Seite bedürfen Iraner der Unterstützung des Auslands in Form von Ansprachen und Botschaften in ihre Richtung. Als sie in den Jahren 2009 und 2010 auf die Straßen kamen, hat sich kaum ein Politiker im Ausland geäußert und die Iraner verbal unterstützt. Wir sehen aber heute das Gegenteil bei den Unruhen in Ägypten, Tunesien und Libyen. Führende Politiker in Europa und den USA haben die Menschen in den genannten Ländern unterstützt. Die Iraner sind enttäuscht von Europa und den USA, weil die moralische Hilfe, da wo sie nötig war, nicht kam.
Wodurch hilft die Politik Deutschlands dem Regime im Iran?
Das neueste Beispiel ist die Reise des Bundesaußenministers in den Iran. Diese Reise geschah, um zwei inhaftierte deutsche Journalisten freizubekommen. Die Journalisten waren verpflichtet, sich zu informieren, dass sie ohne eine gültige Arbeitserlaubnis im Iran ihre Tätigkeit nicht ausüben dürfen. Das ist in Deutschland genauso. Man sagt hier: „Unwissenheit schützt nicht vor Strafe.“ Trotzdem hat sich der Außenminister darauf eingelassen, mit dem iranischen Regime in Verhandlungen zu treten, um diese Journalisten freizubekommen. In diesen Verhandlungen wurde die Vereinbarung getroffen, dass die Deutsche Bank die Anforderungen einer indischen Firma bei einem Geschäft mit dem Iran nachkommt. Die Frage, die sich die Iraner stellen, ist, ob das Leben von zwei Deutschen mehr Wert hat als das Leben von Tausenden Iranern, die in den vergangenen Jahren verhaftet und ermordet wurden. Wo bleibt der universale Anspruch der Menschenrechte?
Welche konkreten Maßnahmen wünscht sich Ihre Partei von der deutschen Bundesregierung in Bezug auf Iran?
Irgendwie haben wir das Gefühl, dass die Deutschen kaum Interesse an einem freien Iran haben, denn dies haben wir mehrmals schriftlich und mündlich der EU und Deutschland mitgeteilt. Die Islamische Republik hat Geld, und das macht sie stark. Seit Jahren empfehlen wir immer wieder, die Geschäfte mit der Islamischen Republik zu stoppen, ihre Gelder im Ausland einzufrieren und Sanktionen gezielt gegen das Regime und seine Mitglieder zu beschließen. Diese Schritte sind notwendig; alles andere werden die Iraner selbst im Iran regeln. Hauptsache ist, das Regime im Iran zu schwächen und es Schritt für Schritt aus der internationalen Politik zu verdrängen. In den Gesprächen mit europäischen Regierungsmitgliedern haben wir immer empfohlen, dass sie Informationen auch von den Gegnern der CPI holen, um Gemeinsamkeiten festzustellen und ein Gesamtbild zu entwickeln. Jetzt empfehlen wir, dass europäische Regierungen alle iranischen Oppositionsgruppen – keineswegs Einzelpersonen – an einen Tisch bringen und einen Dialog mit Ihnen starten; so wie wir es auch in Afghanistan gesehen haben.
Was Deutschland speziell für den Iran machen kann, ist, ihnen seine Aufrichtigkeit zu zeigen und versuchen, das zerstörte Bild irgendwie wieder herzustellen und so auch Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen. Auf keinen Fall darf dabei an Zerlegung Irans gedacht werden bzw. die Befürworter solcher Ideen unterstützt werden, denn dies würde den nationalen Stolz der Iraner verletzen und die Macht der Islamischen Republik nur stärken. Die Einheit Irans und die territoriale Unversehrtheit Irans müssen im Vordergrund stehen. Iran ist ein Land und besteht aus einem Volk.
Wodurch unterstützt Ihre Partei die Zivilgesellschaft im Iran?
Unsere Arbeit ist hier vielfältig. Wir haben Kontakte zu den Oppositionskräften im Iran und versuchen, sie mit Oppositionskräften im Ausland zu verbinden. Wir ermöglichen Oppositionskräften im Iran mit ausländischen Regierungsvertretern in Verbindung zu treten. In Anbetracht der heutigen Situation im Iran haben wir als eine anerkannte Oppositionspartei im Ausland die Möglichkeit, in politischen, kulturellen und menschenrechtlichen Fragen Stellung zu nehmen und eine, wenn nötig, Vermittlerrolle zu spielen. Unsere Bilanz zeigt eine Reihe von Erfolgen, die dokumentiert sind und jederzeit eingesehen werden können.
Welche Zukunft wünschen Sie sich persönlich für den Iran und wie soll der Weg dahin gehen?
Als erstes wünsche ich einen freien Iran, der jedem – und ich meine jedem – das gleiche Recht gewährt. Ich wünsche Freiheit und Sicherheit für Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Religion und Sprache. Ich wünsche, dass die Vielfalt und Einheit Irans innerhalb seiner jetzigen Grenzen geschützt werden. Demokratie und Menschenrechte – hier gehören eine ganze Menge weitere Werte wie Säkularismus – sind die Säulen meiner Partei – und genau diese wünsche ich für einen zukünftigen Iran. Wenn all dies vorhanden ist, dann haben wir die Basis, uns auch politisch weiter zu entwickeln.
Interview vom April 2011, Helmut N. Gabel
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